oder wie 6 Fragen uns dabei unterstützen, uns immer mehr selbst zu verstehen und Überzeugungen und Verhaltensweisen, die uns nicht dienlich sind, hinter uns zu lassen.
Endlich ist er da: der Sommer.
Viele verbringen ihre wohlverdienten Sommerferien an einem schönen Ort und geniessen laue Sommerabende bei gemütlichem Beisammensein. Wir dürfen auftanken, unsere Akkus mit Sonne und Unbeschwertheit aufladen. Etwas was manchmal im Alltag viel zu kurz kommt.
Viele von uns blicken auf intensive und anstrengende Monate zurück. Das Leben fordert viel. Mit grosser Hoffnung auf Erholung starten wir in die wohlverdienten Sommerferien, möchten geniessen und entspannen und freuen uns auf unbeschwerte Zeit ohne etwas zu müssen. Doch dann werden Gedanken plötzlich sehr laut, richtig abschalten fällt uns sehr schwer und wir versuchen nicht an all die Arbeit und unsere Pflichten zu denken. Die Entspannung will einfach nicht einkehren und zur Ruhe kommen wir auch nicht wirklich.
Gerade in dieser Zeit hören wir von verschiedenen Seiten immer wieder von Lebensgeschichten, die trotz Sommer von Erschöpfung und Burnout geprägt sind. Menschen, welche sich müde und gestresst fühlen. Jetzt, wo wir alle doch den Sommer geniessen und die Möglichkeit für "Dolce far niente" und "Siesta" einfach mal nutzen dürften. Lange genug mussten wir auf den Sommer warten.
Wir begleiten in unseren Tätigkeiten seit vielen Jahren auch Menschen, welche aufgrund von psychischen Erkrankungen aus dem Arbeitsleben für eine gewisse Zeit aussteigen und sich neu sortieren müssen. Menschen, von welchen die Gesundheit einforderte, sich mit sich und dem eigenen Leben auseinanderzusetzen. Und gerade deswegen haben wir grossen Respekt in wenigen Zeilen etwas Sinnvolles reinzupacken.
Die Ursachen und Zusammenhänge von Menschen mit Erschöpfungsdepressionen sind so unterschiedlich wie wir Menschen sind. Jede Person bringt ihre ganz persönliche Geschichte und Prägungen mit. Es gibt nicht "die eine Ursache" und somit auch nicht "die eine Lösung, den einen richtigen Weg". Das Thema ist zu gross, zu sehr auch von unseren gesellschaftlichen Wertvorstellungen und von der Leistungsgesellschaft geprägt, als dass dem Thema mit der Aussage "da hat jemand zu viel gearbeitet und muss sich jetzt erholen" gerecht wird. Oftmals stecken viele verschiedene Elemente dahinter, welche zu einer Erschöpfung und zu einem Leben, welches sich nicht authentisch anfühlt, führen.
Was haben alle diese Menschen gemeinsam?
Die Sehnsucht nach einer Pause, nach Durchatmen und gleichzeitig keine Ahnung wie sie das bewerktstelligen sollen. Die innere leise Stimme, die sie oftmals schon sehr früh wahrnehmen, sich aber nicht getrauen dieser Stimme zuzuhören. Die Stimme, die spricht "hey, mach doch mal eine Pause", "willst du das wirklich? oder machst du das, um den Erwartungen gerecht zu werden?", "eigentlich würdest du doch gerne...".
Und doch fehlt uns oft der Mut, ganz genau bei uns selbst hinzuschauen und sich zu erlauben, sein eigenes Leben so zu gestalten wie es sich für uns selbst stimmig anfühlt. Und nicht wie die Gesellschaft uns gerne sehen würde.
Bis der Körper Signale sendet, die nicht mehr zu ignorieren sind. Bis wir vom Leben gezwungen werden, uns neu zu sortieren. Neue Prioritäten zu setzen und sich bewusst damit auseinanderzusetzen, wie wir mit unserer Energie umgehen. Dies ist nicht selten ein langer Weg, geprägt von Erkenntnissen über die eigenen Grenzen, über die eigenen Bedürfnisse und v.a. das Bewusstsein darüber, was im eigenen Leben gut tut und was nicht. Und damit verbunden: die Erlaubnis, sich selbst zu sein!
Und hier entstehen dann die grössten Veränderungen - plötzlich nehmen wir unser Leben mutig in die Hand und eine neue Leichtigkeit darf entstehen. Denn sich selbst zu sein, authentisch zu sein, braucht viel weniger Energie als ständig unseren eigenen Erwartungen und denen von aussen gerecht zu werden.
Und noch etwas eint all diese Menschen, welche bereits im Leben an einem solchen Punkt angekommen sind: im Rückblick haben bisher alle, wirklich alle, erzählt, dass sie die Warnzeichen eigentlich schon sehr früh bei sich bemerkt, diese aber nicht ernst genommen hätten.
Tägliche Selbstreflexion kann uns unterstützen wieder in Verbindung mit uns selbst zu kommen.
Es gibt eine Mini-Übung, welche bereits grosse Wirkung entfalten kann. Indem du dich täglich direkt nach dem Aufstehen fragst:
wie bin ich gerade unterwegs?
wie geht es mir gerade?
was brauche ich heute damit es mir gut geht und es ein guter Tag wird?
Im Alltag nehmen wir uns die Zeit für eine solche Selbstreflexion leider viel zu selten. Tauchen dann erste körperliche Warnzeichen auf, gibt es im Internet haufenweise mehr oder weniger sinnvolle Tipps und Ratschläge, wie einer Erschöpfung vorgebeugt werden kann. Auch das wird dem Thema nicht gerecht. All die Stressseminare und -tipps helfen oftmals nur kurzfristig und sind wenig nachhaltig.
Denn was ganz oft übersehen wird: Heilung kann erst dann eintreten, wenn wir die Verbindung zu uns selbst wieder herstellen können. Es geht um die Rückkehr zu unserem wahren Selbst und dadurch zu einer authentischen Lebensgestaltung.
Es geht nicht um "Wieso passiert mir das?" sondern "Warum ist das jetzt gerade hier? Was kann ich daraus erkennen? Was darf und soll sich verändern?" und mit einer offenen und neugierigen Haltung auf diesen Weg zu gehen - sich selbst zu beobachten ohne zu Urteilen oder sich in Selbstkritik zu üben. Sondern mit einer bewussten Wachsamkeit sich selbst und seinem inneren Prozess gegenüber.
Heilung ist ein Weg, für den wir uns bewusst entscheiden,
mit all den Wendungen und vermeintlichen Sackgassen,
die mit dem Beschreiten und sogar dem Erforschen eines ungewissen Weges einhergeht.
Es gibt nichts, was nicht da sein sollte,
so problematisch und sogar beeinträchtigend es auch sein mag.
Heilung erfordert nicht das Verschwinden all dieser Asepkete,
sondern nur die Neuausrichtung - oder vielleicht ihre Neuzuordnung.
(sinngemäss nach Gabor Mate, 498ff.)
Und genau deshalb haben wir bisher nie etwas dazu geschrieben - einfach ein paar Tipps mehr? Braucht die Welt wirklich nicht.
Doch dann sind wir im Buch von Gabor Mate ("Der Mythos des Normalen") auf 6 Fragen gestossen, welche bei der Selbstheilung unterstützen. Fragen, die aus unserer Sicht nachhaltige Veränderungen anstossen können. Denn sie gehen tief. Sie unterstützen uns zu verstehen, wieso wir da sind wo wir jetzt gerade sind. Sie verbinden uns mit unseren Bedürfnissen, mit unserem Innersten. Deshalb möchten wir sie hier gerne als Inspiration mit dir teilen.
6 Fragen, die dich dabei unterstützen, dich mit dir ganz ehrlich auseinanderzusetzen. oder wie Gabor Maté schreibt: Bevor der Körper Nein sagt.
Diese Fragen unterstützen nicht nur bei der Selbstheilung - sie stellen vielmehr auch wieder eine Verbindung zu uns selbst her. Sie ermöglichen die Botschaften des Körpers mit unseren inneren Stimme zu verknüpfen. Und daraus für sich stimmige Schritte abzuleiten.
In welchen wichtigen Bereichen deines Lebens gelingt es dir nicht "Nein" zu sagen?
Wie wirkt sich deine "Unfähigkeit" Nein zu sagen auf dein Leben aus? Sowohl physisch, emotional wie auch interpersonell? Notiere dir bewusst zu allen drei Ebenen Stichworte.
Welche körperlichen Signale übersiehst du regelmässig? welche Symptome ignorierst du (vielleicht sogar bewusst), die Warnzeichen sein könnten, wenn du dich bewusst darauf achten würdest?
Welche Geschichte verbirgt sich dahinter nicht "Nein" sagen zu können? Welche Erklärung erzählst du dir dazu? welche Rechtfertigung, welche Rationalisierung? welche Glaubenssätze verstecken sich hinter diesen Aussagen?
Wo hast du diese Geschichte gelernt? Hier geht es nicht darum, dass du in der Erfahrung verweilst und zum Schluss kommst "ja weil das damals so war, kann ich jetzt nicht anders, bin ich ausgeliefert" - es geht darum sich dem Moment bewusst zu werden und mit offenen Blick auf die (Kindheits-)Erfahrung zu blicken, um dann selbstwirksam weiter zu gehen.
An welcher Stelle hast du das "Ja", das gesagt werden wollte, ignoriert oder verweigert?
was wolltest du tun, bekunden, erschaffen oder sagen, dass du in Namen einer vermeintlichen Pflicht oder aus Angst aufgegeben hast?
welche Überzeugung hält dich davon ab, die kreativen Impulse zu bejahen?
welche Freude hast du dir verweigert, weil du denkst, sie nicht verdient zu haben? (Quelle: vgl. Maté, 2024, S. 477)
Vielleicht inspiriert es dich, ab und zu mal diese Fragen hervorzuholen und ganz ehrlich zu beantworten. Dadurch erhältst du viele wertvolle Impulse, wohin dein Weg dich führen kann, wo Leichtigkeit, weniger Stress und mehr Freude liegen können. So dass "la dolce vita" regelmässig im Alltag sein darf.
Findest du "doch, das sollte ich mal machen" aber möchtest dich nicht alleine damit auseinandersetzen?
In unserem Kurstag "Arbeitsalltag aus psychologischer Perspektive" am 24. September 2024 beschäftigten wir uns mit wichtigen Themen rund um die eigene Lebensgestaltung: Vernetzung von Persönlichkeit & Prägung, Muster & Emotionen, dem vegetativen Nervensystem & Window of Tolerance. Wir befassen uns mit konkreten und neuen Ansätzen aus der Perspektive der ganzheitlichen Psychologie und verknüpfen sie mit dem (Arbeits-)Alltag. Gemeinsam vertiefen wir das Prozessverständnis des Mensch-Seins.
Weitere Infos und Anmeldung findest du hier: https://www.inspiria.ch/humanatwork
Quellen:
Gabor Maté, Vom Mythos des Normalen: Wie unsere Gesellschaft uns krank macht und traumatisiert – Neue Wege zur Heilung, Gebundene Ausgabe – 24. Mai 2023
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